Happy Birthday? Leider nur beim Händewaschen.
Seit nunmehr einem Jahr kämpfen wir gegen eine Pandemie, die unser Land in den Ausnahmezustand versetzt hat. Abstandhalten und Kontaktbeschränkungen sind zur Selbstverständlichkeit geworden. Und selbst, wenn wir demnächst alle geimpft sein sollten, ist noch völlig unklar, wie sich unser gesellschaftliches Leben durch Corona langfristig verändern wird.
Was bedeutet diese neue Realität für das Büro? Ist der Trend zu offenen Bürokonzepten noch haltbar? Müssen wir zurück zum Zellenbüro? Oder sollten wir nicht gleich ganz im Homeoffice bleiben?
Als Berater und Planer für Arbeitsumgebungen haben wir über diese Fragen im letzten Jahr viel mit unseren Kunden gesprochen. Unsere Antworten und Erfahrungen aus aktuellen Projekten wollen wir an dieser Stelle mit Ihnen teilen.
Geht doch: Corona als Türöffner für neue Bürokonzepte.
Homeoffice ist durch Corona von heute auf morgen für viele Berufszweige zum Alltag geworden. Und auch nach der Pandemie wird es weiterhin eine große Rolle spielen: Viele aktuelle Studien zeigen, dass sich bereits mehr als 70% der Beschäftigten die Möglichkeit wünschen, Tage im Homeoffice zu verbringen. In dieser Hinsicht hat die Pandemie jedoch keine unerwartete Neuerung gebracht, sondern vorhandene Entwicklungen in der Arbeitswelt dramatisch beschleunigt.
Was heißt das aber für die Zukunft des Büros? Schon vor Corona haben wir in vielen Unternehmen eine durchschnittliche Belegungsrate von weniger als 70% gemessen. Geht die Anwesenheit infolge großzügiger Homeoffice-Regelungen noch weiter zurück, bleibt schnell mehr als jeder zweite Platz frei. Das ist weder wirtschaftlich sinnvoll, noch ist es gut für die Atmosphäre in einem Büro. Genau diese Einsicht erleben wir gerade bei unseren Kunden und deren Beschäftigten. Allen ist klar, dass für zwei bis drei Tage Anwesenheit im Büro niemandem ein Einzelbüro freigehalten werden kann. Die neugewonnene Freiheit des mobilen Arbeitens muss womöglich mit dem Besitzanspruch auf einen eigenen Arbeitsplatz im Büro bezahlt werden.
Was uns dabei wirklich überrascht: Nicht mehr wir Berater müssen diese Abkehr vom territorialen Denken als Chance für eine zeitgemäße Arbeitswelt propagieren. Vielmehr fordern Unternehmensleitung und Belegschaft diese Veränderung nun von sich aus ein. Viele Zweifel, die ein Bürokonzept ohne fest zugewiesene Arbeitsplätze früher aufgeworfen hat, scheinen plötzlich wie verflogen: Ich brauch doch meine Akten im Zugriff! Wie finde ich denn dann meine Kollegen? Wie soll ich denn kontrollieren, wer hier arbeitet? Die Pandemie hat Unternehmen und Beschäftigte plötzlich dazu gezwungen, selbst Lösungen für diese Fragen zu entwickeln. Und gestärkt durch diese neuen Fähigkeiten hat sich bei vielen Menschen der Blick auf das eigene Büro gewandelt. Es dominiert nicht mehr die Verlustangst und das Beharren auf dem Status quo. Stattdessen verbreitet sich die Einsicht, dass diese Veränderungen auch eine positive Seite haben. Die non-territorialen Bürokonzepte werden gerade zur neuen Normalität und Selbstverständlichkeit.
Ruhe oder Austausch –
Hauptsache nicht nur Homeoffice!
So gut das Homeoffice grundsätzlich auch funktioniert, es klappt nicht für jeden gleich gut. Viele Studien zeigen, was wir täglich am eigenen Schreib- oder Küchentisch erleben: Mit kleinen Kindern in der Wohnung kann man nicht in Ruhe einen Text schreiben – und wer allein in seinem großen Haus sitzt, dem fällt schnell die Decke auf den Kopf. Die Lebensumstände bestimmen, wie gut wir aktuell mit der Situation zurechtkommen. Und ausgehend davon ist es sehr verschieden, warum es die Menschen zurück ins Büro zieht: Einer möchte vielleicht endlich mal ungestört was wegschaffen, ein anderer sucht eher den Austausch mit Kollegen.
Darüber hinaus gibt es auch unternehmerische Gründe, die Mitarbeitenden zurück an den Standort zu locken. Kreative Teamarbeit zum Beispiel funktioniert mit räumlicher Nähe immer noch am besten. Das Einarbeiten neuer Kollegen und das Lernen voneinander braucht den direkten Austausch. Fällt das weg, sinkt die Produktivität eines Teams spürbar. Und nicht zuletzt gilt, was immer galt: Das Büro als physische Repräsentation der Unternehmenskultur bleibt unersetzlich.
An diesen Beispielen zeigt sich, was das Post-Corona-Büro bieten sollte: Es braucht vielfältige Raumangebote für unterschiedliche Tätigkeiten. Es braucht die Wahlfreiheit, diese Angebote den individuellen Bedürfnissen und Aufgaben entsprechend nutzen zu können. Und es braucht eine Gestaltung, die den Raum zum Kulturbotschafter erhebt – oder zumindest eine gute Aufenthaltsqualität bietet. Wenn Sie uns fragen, hat das Ganze bereits einen Namen: Business Club.
Der »Business Club« organisiert Büroraum modular und gibt jeder Tätigkeit eine eigene Arbeitsumgebung. Statt einem fest zugeordneten Arbeitsplatz erhalten die Mitarbeitenden so die Möglichkeit, aus einer Vielzahl von spezialisierten Angeboten zu wählen. Man spricht auch von »activity based working« oder »aktivitätsbasiertem Multispace«.
Alles wie immer? Die Neuerfindung des Multispace.
Seit mehr als zehn Jahren planen wir aktivitätsbasierte Konzepte wie den Business Club. Allen Planungen ist gemein, dass sie im Ergebnis nie gleich sind. Das Konzept wandelt sich mit jedem Unternehmen, mit jedem Raum und auch mit der Zeit – gerade jetzt. Wir merken, wie in den letzten Monaten die Anforderungen an die Arbeitsumgebung noch einmal komplexer geworden sind.
Durch die drastische Zunahme von Telefonie, Online-Meetings und Web-Seminaren steigt der Geräuschpegel im Büro weiter. Um Störungen zu minimieren, muss der Raum deshalb stärker zoniert und akustisch ertüchtigt werden. Dann kann digitale Konferenztechnik auch von den Besprechungsräumen in die Arbeitsbereiche wandern – und so auch verteilte Teams zur Kollaboration befähigen. Technologien für digitale Zusammenarbeit und Produkte für akustische Zonierung von Räumen sind auf dem Markt reichlich vorhanden – die Herausforderung ist nur, beide klug zu kombinieren.
Auch Besprechungs- und Pausenbereiche müssen aus unserer Sicht für ein Post-Corona-Büro noch einmal verstärkt in den Blick genommen werden. Ihnen kommt in Zukunft ohnehin eine gesteigerte Bedeutung zu. Wenn die Anwesenheit im Büro nicht mehr Alltag ist, wird jedes Zusammentreffen zu einer besonderen Gelegenheit für persönlichen Austausch und kollegiale Vernetzung. Das Büro wird stärker als bisher zum Treffpunkt – und muss dafür entsprechende Flächen und Möblierung bieten. Dabei denken wir nicht an starre Meetingräume mit Tisch in der Mitte. Wir planen lieber mit flexibler Sitz- und Stehmöblierung, um vielfältige Formen der Begegnung zu ermöglichen. Und wo bisher kleine Kaffeeküchen nur als reine Versorgungsstationen dienen, könnte künftig eine großzügige Lounge mit Bereichen für Arbeit und Privates eine zeitgemäße Alternative sein.
Von rückläufiger Bedeutung wird dagegen die große Zahl von Arbeitsplätzen ohne spezielle Ausrichtung auf Kommunikation oder Konzentration sein. Hier lässt sich mit einer Vereinbarung zum »mobilen Arbeiten« und einer höheren Homeoffice-Quote sicher Fläche reduzieren oder in andere Nutzungen überführen.
Diese Flexibilität, eine Arbeitsumgebung immer wieder aktuellen Anforderungen anzupassen, bietet der Business Club wie kein anderes Bürokonzept. Denn durch die offene Struktur und den modularen Aufbau lassen sich Neuerungen einfach in veränderten Arrangements abbilden. In volatilen Zeiten macht das den Business Club zu einem zukunftssicheren Modell.
Arbeitsplätze sichern: Infektionsschutz fürs Büro.
Die besten Räume nützen nichts, wenn sich die Mitarbeitenden darin nicht sicher fühlen. Maßnahmen des Infektionsschutzes sollten daher zukünftig als gleichberechtigte Anforderungen in den Planungsprozess einfließen. Die Praxis zeigt, dass dies in einem offenen Gebäudelayout sehr viel leichter umzusetzen ist – beispielsweise beim Einrichten von Laufwegen oder der Einhaltung von Abstandsgeboten. Tische in Blockstellung können einfach aufgelöst und neu angeordnet werden. Statt jeden zweiten Platz zu sperren, lässt sich in vielen Fällen »luftiger« möblieren. Was vorher noch wie Ausnahmezustand aussah, kann dann schon wieder großzügig wirken. Sicher kein schlechtes Gefühl für die Rückkehr ins Büro.
Was die Ansteckungsgefahr über Aerosole angeht, ist die Tendenz klar. Wer allein in seinem Einzelbüro sitzt, ist fein raus. Für alle anderen aber gilt: je mehr Luftvolumen und Frischluftanteil, desto günstiger. Die raumlufttechnischen Anlagen sollten entsprechend eingestellt werden. Und wo es sich querlüften lässt, ist dies ein zusätzliches Plus.
Betriebsärzte haben uns bestätigt, dass der Business Club durch seine offene Struktur viele Voraussetzungen für einen guten Infektionsschutz erfüllt – anders als etwa das durchschnittliche Gruppenbüro. Voraussetzung ist natürlich, dass es für die gemeinschaftlich genutzte Arbeitsumgebung ein zuverlässiges Hygienekonzept mit engen Reinigungsintervallen gibt. Das war aber auch schon vor Corona so.
Unabhängig von diesen eher pragmatischen Maßnahmen zeigt sich aktuell, dass das Sicherheitsempfinden der Menschen sehr unterschiedlich ist. Wie viel Nähe fühlt sich noch richtig an, wo braucht es mehr Distanz? Die Antwort darauf wird immer eine sehr persönliche sein. Und nur wenn die Arbeitsumgebung diesem subjektiven Empfinden der Menschen Rechnung tragen kann, werden sie sich darin wohlfühlen. Was liegt also näher, als dass jeder den Platz im Büro wählen kann, der sich sicher und gut anfühlt.
Ein Jahr Pandemie: Unser Fazit für die Büroplanung.
Bei aller Unsicherheit, die die Pandemie in unseren Alltag gebracht hat, zeichnen sich die Auswirkungen auf die Arbeitswelt und das Büro doch recht klar ab: Wir stehen keineswegs vor der Rückkehr des Einzelbüros. Vielmehr hat sich die Krise als Treiber für das Thema »New Work« entpuppt und bekannten Konzepten, wie dem Business Club, neuen Schub verliehen. Das Büro ist nur noch ein Ort von vielen, an dem wir unserer Arbeit nachgehen können. Umso wichtiger wird es, dass das Büro seine Rolle als Heimat des Unternehmens ausfüllt. Wenn dies gelingt, kann jeder Tag im Büro zu einem Moment der Inspiration und Identifikation werden. Diese Hoffnung stimmt uns optimistisch und macht uns Lust auf die nächsten Gespräche und Projekte.
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